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06 2013
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Romanistan ist überall. Markierungen im unwegsamen Gelände

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Zwischen 2011 und 2013 führte die IG Kultur Österreich gemeinsam mit Roma-Selbstorganisationen aus Wien, Berlin und Barcelona (Roma Kultur Zentrum Wien, Amaro Drom, FAGiC) das Projekt Romanistan. Crossing Spaces in Europe durch.
Zum Abschluss des Projekts liegt nun der Reader Romanistan ist überall. Markierungen im unwegsamen Gelände vor. Er beschäftigt sich mit Fragen der Selbstorganisation und – damit verbunden – der zeitgenössischen Kultur-, Kunst- und Medienproduktion europäischer Roma/Romnja. Der Reader ist in vier Sprachen erhältlich (Deutsch, Englisch, Spanisch, Romanes) und kann ab sofort kostenlos bestellt werden. 

 

 

Romanistan ist überall
Markierungen im unwegsamen Gelände


Hg.: IG Kultur Österreich
Eigenverlag
Wien, 2013
ISBN: 3-9500544-7-2

Europa, wie wir es heute kennen, ist eine Konstruktion der Moderne, die uns nach zwei Weltkriegen, nach Zerstörung, Vertreibung und Vernichtung die Einlösung der Versprechungen von Demokratie, ungeteilten Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit noch immer vorenthält. An kaum einem anderen Beispiel wird dies so deutlich wie an den Realitäten der Roma und Sinti, deren Weg durch Jahrhunderte der Ausgrenzung und Verfolgung auch im Zuge der gegenwärtigen Institutionalisierung dieses Europas kein Ende gefunden hat. Rassistisch motivierte Übergriffe und öffentliche Hetztiraden gehören in vielen EU-Mitgliedstaaten zu einem Alltag, den Giorgio Agamben in seinem Werk "Homo sacer" ganz allgemein als Ausnahmezustand beschreibt.
Das Gelände ist also tatsächlich unwegsam – und insbesondere für Roma und Sinti eine denkbar schwierige Voraussetzung beim Versuch, die in den Mehrheitsgesellschaften vorherrschenden Wahrnehmungsmuster zu überwinden. Die Wissenschaften haben deren stereotypen Grundbestand mit absurden Rassentheorien vertieft. Kultur und Medien schöpfen bis heute daraus, wobei sich zu den eliminatorischen Vorstellungen immer auch eine pseudofolkloristische Verklärung gesellt – die Kehrseite der gleichen Medaille.
Die triviale Romantik von „Zigeunermusik“, Flamenco und anderen Exotismen entstellt die Lebenswirklichkeit der Roma und Sinti zur Unkenntlichkeit und stößt sie in ein Vakuum.
Mit seinen Markierungen erzählt Romanistan von einem Europa, das nicht dem Regime des Ausnahmezustands überlassen bleiben darf. Die Kontinuität von Unsichtbarkeit, Ausschluss und Verfolgung erfordert wirkmächtige Brüche. Die Konfrontation braucht einen strategisch langen Atem, die Verhandlung zur Selbstverortung von Roma und Sinti den dafür notwendigen Raum. Das gegenwärtige Europa ist unwegsam, aber keinesfalls in Stein gemeißelt...

Mit Beiträgen von:
Pedro Aguilera Cortés, Katalin Bársony, Aylin Basaran, Ljubomir Bratić, Hamze Bytyci, Markus End, Gilda-Nancy Horvath, Marty Huber, Almir Ibrić, Patricia Köstring, Anna Mirga, Radostina Patulova, André J. Raatzsch, Simone Schönett, Erika Thurner

Bestellung/Download: http://igkultur.at, http://www.romanistan.net
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